Sonntag, 29. April 2012

Aktion I "Das Joch des Menschen"



Gegen 23.00 am Donnerstagabend, nachdem in der Schnapsbrennerei Leydicke die erste seance der sammlung & bewegung am schwarzen grund zum thema „das Joch des Menschen“ stattgefunden hatte brachen der innere Kreis und als Ehrengäste die Religionswissenschaftlerin und Kuratorin Carla Hagen und der japanische Maler Tsunetomi Aida zum Abendessen auf. Der Himmel über Berlin war nebelverhangen und die Sterne genauso wenig zu erkennen wie die Züge der Hochbahn.

Ohne eine Anmeldung oder eine Ankündigung, schienen der Maitre und Charlotte Corday auf die Ankunft der Bewegung gewartet zu haben. Sie standen in der Türe des völlig leeren Restaurants und reichten den Ankömmlingen die Hand. Heilmann wählte den Stammplatz und verteilte die Gäste, in dem er einem gewissen Kalkül folgte. Schließlich ergab sich ein Muster der Sitzordnung, bei dem er – also Heilmann selbst- am besten Platz zu sitzen kam und von da aus den Überblick über Tisch und Eingangstüre hatte. Letzteres war im Grunde nicht nötig, denn der Maite erklärte das Lokal zum exklusiven Refugium des schwarzen grundes und verschloss die Eingangstüre. Mit weiteren gästen war also an dem Abend nicht zu rechnen. Heilmann trug wie immer einen exzellenten schwarzen Anzug, ein Schnitt der italienisch und britisch zugeleich wirkte. Sein tiefliegender Scheitel und die dunkle Brille gaben ihm etwas transzendent Cooles. Ein Outfit zeitlos, zukünftig, status indifferent : Werber , Kuenstler, Dandy, Sammler.

Charlotte Corday war wohlbehalten von der Pflege Ihrer kranken Eltern aus Frankreich zurückgekehrt und erschien im strengen schwarzen Kleid.




















Nach der sogenannten Lecture Performance bedurften Heilmann und Brockdorf dringend der Geborgenheit und Erholung die ihnen der Schutzraumes des Maitres bot. Heilmann, der sehr unter der Grobheit und Brutalität des Publikums an sich gelitten hat (also nicht etwa des spezifischen Publikums des Abends, das ja in großer Anzahl gekommen war, und nun gar nicht grob sondern im Gegenteil, freundlich, aufnahmebereit und aufmerksam war ) aber eben des Publikums an sich, das aufgrund von den Erwartungen, Hoffnungen, Wuenschen die es hat, notwendigerweise von der Wirklichkeit ewta der seance enttäuscht werden muss. - Heilmann bezweifelte daher den ganzen Abend. Er sagte: welchen Sinn soll das gehabt haben.




Brockdorf  saß mit verschränkten Armen und stierem leeren Blick stumpf vor der suppe . Ihm gingen noch die Bilder durch den Kopf: Rudolphs hinreißendes portrait einer Frau, ekstatisch , schmerzhaft verzerrt, im akt der hinwendung wie er dann auftritt wenn wir endlich zu extension der maschine geworden sein werden und uns damit am ende komplett verlieren- eine diffusion im nucleus accumbens.





















darüber die Arbeit von Motada, die so gestochen scharf gearbeitet war, dass sie viele als schwarz weiss fotografie missverstanden hatten und daneben die hypnotischen kreise von Eno Henze , Ornamente von solcher Allgemeingültigkeit, dass sie sich bald ueberall wieder fanden. Carla Hagen etwa entdeckte sie in der Photographie der brigitte bardeo die ueber dem stammplatz hing. Aber jeder reifen war am ende auch rund, so rund wie die kreise der sonne oder die dornenkrone von jesus christus.






















Der aufgetragene Hauptgang schmeckte - nach der Zeit der Abstinenz, die seit dem letzten besuch dazwischenlag ganz hervorragend. zart und füllig zu gleich.

Es war allen noch gar nicht klar was eigentlich abgelaufen ist –gegen die fulminante art von Maggie Yeong waren Heilmann und Brockdorf nicht angekommen. Der am Anfang so überdeutliche und klare Focus auf die Auseinandersetzung mit Kybernetik und Transhumanismus - die texte von kurzweil, ovid, dante, matthäus, josph conrad etc. die zwischen den Optionen: Wissenschaft, Kunst , religion vermitteln sollten waren von Maggie Yeong – deren Mut zur Selbstaufgabe sich nicht zuletzt darin gezeigt hatte, dass sie gar nicht persönlich sondern in Vertretung erschienen war, total in Frage gestellt worden. Die männlichen kopfgeburten sind durch die interventionen ihres mediums ins wanken und taumeln geraten, so dass am ende eher etwas rueberkam was erdig, hipieesk – und so in richtung schamanismus, matriachat, wilhelm reich, muehl kommune - gruppensex ging. Also eigentlich etwas das nicht beabsichtigt war. Dennoch, das Hauptproblem war , dass sich an dem Abend für die meisten eigentlich gar nichts wirkliches vermittelt hatte. Letztlich musste man sich eingestehen dass vieles unzugänglich, vage und in der tieferen dimension einfach schmarrig geblieben war.

Weil sich die Bewegung an dieser Reflexion verlor und drohte in den Modus des zweifels und der verzweifelung abzudriften übernahm Verena becker mit sanfter hand die revision und evaluation und steuerte das feedback in eine erreichbare Richtung. Das war sehr gut. Anstelle des grundsätzlichen konnte man sich wieder auf das machbare einlassen.

Verena becker fasste folgendes zusammen:

1. Stärkere Betonung des musikalischen (also mehr singen , weniger sprechen)
2. email Verteiler verbessern. Das nächste mal alle Adressen aufschreiben
3. keine Magazine mehr verschenken,
4. Das Ganze noch weiter treiben,
5. Die nächste Veranstaltung soll unter dem Motto „die Aufgabe des Menschen“ an einem anderen Ort stattfinden.

Neben ihrem herausragenden ästhetischen Blick, der durch die gesamte Vorbereitung der seance noch klarer und hellsichtiger wurde war Verena Beckers wissenschaftliche Leitung letztlich auch ausschlaggebend dafür, dass die durch den langen Aufenthalt der tragenden Mitglieder der Bewegung in den inneren Bezirken (Stichwort berlin Autismus) entstandene Ignoranz und die durch die Flügel/Hahnenkämpfe hervorgerufenen zentripetalen Kräfte schließlich gebündelt und in Handlung umgesetzt werden konnten. Verena Becker erwies sich als durchsetzungsstark, umsetzungsorientiert und vor allem strategisch klar.
Die Sammlungsmitglieder konnte vor allem durch die theoriebildende Arbeit von verena becker auf ein klares ästhetisches Leitbild zurückgreifen, dass neben der wahrheitswertsfähigkeit auch eine ausreichende konkrete und emotionale Ausgestaltung aufwies und daher in Momenten der Schwäche und des Abgrundes eine echte Hilfe bot.
Das Vintage Kleid, das Verena Becker an dem Abend trug entstammte einer der letzten Kollektionen der untergegangenen Sowjetunion. Becker verströmte darin einen hoffnungsvollen Retro chic. Laessig und sophisticated zugleich.

Carla Hagen, die gerade aus Moskau zurückkam, erzählte dann noch, wie es dort im Vorwahlkampf zu ging, die ganze Doppelbödigkeit des politischen Systems, der gebrauch modernster Psychotechniken, wie NLP, der lektüre von Derrida, Lyotard, Lacan, die dort als Rechtfertigung und Theorie Plattformen von putins idee der souveränen demokratie dienen sollten .
Carla Hagen – die übrigens tatsächlich eine entfernte Verwandte von Carl Gustav Jung ist, - berichtete, dass Sarkow der spindoctor von putin auf sie zu getreten sei und sie darum gebeten habe die Wahlkampf Strategie einmal unter dem Blickwinkel der jungschen Archetypen zu analysieren. Carla hat das natürlich abgelehnt. „ Man muss eben eine linie ziehen“ sagte sie auch wenn sie dann noch meinte, „die souveräne Demokratie hat, wie jedes übel auch etwas Gutes für die Kunst.“ Über das berlintypische Problem des mangelnden Publikums musste man sich laut Carla in Russland auf alle Fälle keine Gedanken machen. Die Gäste werden einfach in Bussen herangeschafft. Am eröffnungsabend, der von ihr in der Nähe von Sankt Petersburg kuratierten Ausstellung Berliner Künstler, wurden volle fünf Busse und damit mindestens 250 Besucher abgesichert.

Auf die von Brockdorf an sie gerichtete Frage wie denn nun die seance gewesen war? was man hätte anders/ besser / schöner machen koennen, lächelte sie nur und bewahrte ihre strikte Neutralität und Autorität. Sie meinte es ist eine Bewegung entstanden, und weiter sagte sie, dass vom Namen „am schwarzen Grund“ eine echte sexyness ausgeht – und wie sie das sagte war es wunderschön, vor allem weil sie „sexyness“ ja nicht im biologischen „sexuellen“ sinn verwendete sondern es mit der Coolnes eines Börsenmaklers gebrauchte, der den Wert eines Investments taxiert.
sie meinte dann noch- wenn uns etwas fehlt dann nicht weil etwas nicht da ist, sondern weil wir es uns nicht nehmen.
Carla Hagen versicherte dem inneren Kries, dass sie fuer Performances jederzeit zur Verfügung steht und die unterstützung geben wird die ihr möglich ist.

Zwischendrin sprach der japanische Künstler aida tsunetomi immer wieder von vielen Dingen, leider konnte ihn niemand verstehen.

Der Maitre zwinkerte dem brockdorf zum Abschied zu. Am Ende sind alle nach Hause, jeder zu sich.

Der dichte nebel hatte nachgelassen und an dem eisernen Träger der eisenbahnbrucke stand ein frisches Graffiti:

„Nur die blueten die verwelken tragen fruechte.“